Kreis Euskirchen. Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli werden viele Menschen im Kreis Euskirchen so schnell nicht vergessen. Die Stunden, die so viel Elend und Zerstörung mit sich brachten, haben sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Nicht wenige Menschen hatten Angst um ihr Hab und Gut, ihre Gesundheit und ihr Leben. Manche mussten gar den Verlust eines geliebten Menschen erleiden. Solche Katastrophen wirken bei den Betroffenen nach, so wird es auch im Kreis Euskirchen sein.

Nach einer Risikopotenzialanalyse des Kreises Euskirchen ist mit bis zu 8.000 Menschen zu rechnen, die einen psychologischen Beratungsbedarf in Folge der Flut haben werden. Davon werden 200 Menschen prognostiziert an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Weitere 500 Menschen erleiden demnach andere flutbedingte Störungen, wie zum Beispiel Depression, Zwang, Sucht oder Angstzustände. Diese Prognose bestätigte vor wenigen Tagen der Leiter der neuen Beratungs- und Koordinierungsstelle Schleidener Tal, Frank Waldschmidt.

Um diesem übergroßen Bedarf gerecht werden zu können, braucht es nach Auffassung der SPD-Fraktion im Kreistag Euskirchen mehr Kassensitze für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Auch sollen nach Meinung der Sozialdemokraten die bestehenden ehrenamtliche Angebote besser unterstützt und vernetzt werden.

„Die traumatischen Erlebnisse und die Erschütterung des tiefsten Sicherheitsgefühls machen etwas mit den Menschen in unserer Heimat. Das merke ich bei meinen Gesprächen mit Betroffenen, meinen Freunden und Verwandten. Ich habe es bei den Gesprächen mit Psychologinnen und ehrenamtlichen Beratern und Betreuern bestätigt bekommen. Damit sich kein grauer Schleier auf den Kreis Euskirchen legt, braucht es mehr Engagement für die seelische Gesundheit“, ist sich Thilo Waasem sicher, der der SPD-Fraktion im Kreis Euskirchen vorsitzt.

Den Bedarf könne das jetzige Gesundheitssystem im Kreis Euskirchen und der Region nicht auffangen. Schon seit Jahren gibt es lange Wartezeiten auf eine psychotherapeutische Therapie. 

„Schon vor Corona und Flut wartete man mitunter über 20 Wochen auf eine Therapie. Die ohnehin schon angespannte Situation hat sich seitdem weiter dramatisch verschärft. Hier muss dringend was passieren. Die Landesregierung und die Kassenärztliche Vereinigung können nicht weiter die Hände in den Schoß legen. Das geht sonst nicht gut aus und wirkt sich langfristig auf unsere Heimat aus“, so Waasem weiter.

Die SPD-Kreistagsfraktion hat dazu einen Antrag eingereicht, mit dem die Kreisverwaltung aufgefordert wird auf die Landesregierung, Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen zuzugehen, um mehr Psychotherapeutensitze zu schaffen. Darüber hinaus soll eine Krisen-Clearingstelle ins Leben gerufen werden, die als Notdienst für seelische Notlagen fungieren soll.