VON THOMAS SCHMITZ Kreis Euskirchen. Es war gleich eine doppelte Premiere im Kreistag: Weil Landrat Günter Rosenke aus familiären Gründen kurzfristig die Teilnahme an der Sitzung absagte, durfte am Donnerstag sein Stellvertreter Hans Schmitz die Leitung übernehmen. Die Haushaltsrede der Verwaltung hielt Rosenkes allgemeiner Vertreter Manfred Poth.Die Verabschiedung des Etats war das zentrale Thema der Kreistagssitzung. Da die Zahl der Redner nach der Kommunalwahl von sechs auf acht gestiegen ist – die Fraktion der Linken und das fraktionslose Mitglied Dr. Dieter Pesch sind hinzugekommen -, begrenzte man die Dauer der Ansprachen auf 15 Minuten. Bis auf Jörg Grutke (Bündnis 90/Die Grünen), der deutlich überzog, hielten sich die Sprecher mehr oder weniger an die Vorgabe. Erfreulich auch dies: Die Landtagskandidaten Uwe Schmitz (SPD) und Thomas Bell (Linke), gleichzeitig Sprecher ihrer Fraktionen, hielten sich, bis auf ein wenig Geplänkel, mit Wahlkampfparolen zurück.Über dem Kreis Euskirchen, das wurde schnell deutlich, schwebt der Sparzwang wie ein Damokles-Schwert. Dennoch wird der Haushalt laut Veränderungsliste mehr belastet als geplant. Der Großteil der zusätzlichen Kosten, 834 000 Euro, resultiert aus dem Bereich Kindertagesstätten. Die Gründe sind gestiegene Betriebskostenzuweisungen, gestiegene Kindpauschalen und ein Rückgang der Elternbeiträge.Tribut an den WinterDie Ausgaben für die Tagespflege haben sich um 250 000 Euro erhöht und damit fast verdoppelt. Der strenge Winter fordert ebenfalls seinen Tribut: Für die Beseitigung von Straßenschäden werden zusätzlich 267 000 Euro benötigt. Insgesamt weist der Haushalt 2010 einen Fehlbetrag von etwas mehr als 600 000 Euro auf. Mit den Stimmen der Koalition wurde der Etat verabschiedet.Was die Bürgermeister der Kommunen nicht gerne hören werden: Die Kreisumlage wird um 1,4 Millionen Euro erhöht und liegt nun bei 57,83 Prozent. Der Grund, so Poth, sei die Entwicklung der Sozialkosten. "Wer soll das bezahlen, und wo soll das Geld denn herkommen?", lautete seine zentrale Frage. Durch Sparen sei diese Entwicklung nicht kompensierbar, sondern nur durch die Beseitigung der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen durch Bund und Land. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die interkommunale Zusammenarbeit. Es müsse bei Sparmaßnahmen in Zukunft auch um ungeliebte Kooperationsfelder und heilige Kühe gehen.Laut CDU-Fraktionschef Josef Reidt funktioniere Sparen nur durch Verringerung der Standards und eine interkommunale Zusammenarbeit, mit der man Aufgaben bündele, etwa in den Bereichen Schule, Feuerwehr, Klimaschutz, Arge und Technik.Uwe Schmitz, Fraktionsvorsitzender der SPD, hat einen Schuldigen für die Misere ausfindig gemacht: "Das Land hat uns durch sein unterirdisches Handeln in den letzten Jahren 3,1 Milliarden Euro gestohlen." Auch den Bürgermeistern macht er Vorwürfe: Sie wollten, dass der Kreis spare, hätten aber selbst keine Vorschläge gemacht. Auch die interkommunale Zusammenarbeit hätten sie verhindert.Senkung von StandardsDie Senkung von lieb gewonnenen Standards ist das Credo der FDP: Sie will einige freiwillige Aufgaben wie Gelder für die Verbraucherzentrale, das Medienzentrum und die Wohnberatung auf den Prüfstand stellen. Das strukturelle Defizit des Kreises müsse um 50 Prozent, also um mindestens 4 Millionen Euro, reduziert werden."Die Ursache der Misere liegt in den finanzpolitischen Entscheidungen des Landes und der Bundesregierung sowie deren Raubzug durch die kommunalen Kassen", sagte Jörg Grutke von Bündnis 90/Die Grünen. Die UWV will durch Zusammenlegungen, etwa in den Bereichen Volkshochschulen und Demografie, Geld sparen. Die CDU habe bereits 2006 Kooperationen gefordert, aber nicht umgesetzt, kritisierte Franz Troschke (UWV) die Union. Er hält auch die RWE-Aktien und die Beteiligung an der Euskirchener gemeinnützigen Baugesellschaft für überflüssig.Thomas Bell (Die Linke) bereitet ein Senken der Standards in Bereichen wie Soziales sowie Kinder und Jugend Sorge. Auch die Verringerung der Personalkosten in der Kreisverwaltung will er nicht mitmachen: "Einsparungen auf dem Rücken der Beschäftigten sind unsozial", so Bell. Stattdessen sollte man lieber die Einnahmen durch die Einführung von Millionärs- und Börsenumsatzsteuern erhöhen.Mit Metaphern arbeitete Dr. Dieter Pesch: "Der Haushalt gleicht einer Troika, deren Leitpferd man erschossen hat. Von den beiden Außenpferden wird der Kadaver als strukturelles Defizit wahrgenommen und mitgeschleppt. Wir wundern uns allerdings, warum keine Fahrt aufgenommen wird." Ständig würden der Troika neue Lasten aufgebürdet, ohne das zulässige Gesamtgewicht zu beachten. Um zu sparen, müsse der Kreis nach dem sechsten Paragrafen des rheinischen Grundgesetzes handeln, das lautet: "Kenne mer net, bruuche mer net, fott domett."