Vertreter aus den Bereichen Bildung und Arbeit diskutierten mit SPD-Landtagsfrau Renate Hendricks (links) über die Inklusion. Foto: Jennifer Held Das Thema Inklusion stand im Mittelpunkt eines Parteitags, zu dem die SPD neben der Landtagsabgeordneten Renate Hendricks auch Pädagogen und andere Fachleute eingeladen hatte. Es kam zu einer kontroversen Debatte. Von Jennifer Held Euskirchen. „Behinderung ist keine Randerscheinung, sondern kann im Laufe des Lebens jeden treffen“, sagte SPD-Landtagsmitglied Renate Hendricks vor knapp 40 Parteimitgliedern bei einem außerordentlichen Kreisparteitag der Genossen im Euskirchener Casino. Das Tagesthema am Samstag war die viel diskutierte Inklusion. „Inklusion ist mehr als Integration. Es geht darum, die Barrieren in den Köpfen der Menschen abzubauen“, fuhr Hendricks fort, die vom Kreisvorsitzenden Uwe Schmitz eingeladen worden war.Sie sei nach Euskirchen gekommen, um von den Akteuren, die die Inklusion beispielsweise in den Bereichen Bildung und Arbeitsmarkt umsetzen müssen, zu erfahren, wie vor Ort gedacht und gehandelt wird, so Hendricks weiter. Diese Anregungen wolle sie im Düsseldorfer Landtag einbringen.Berichte aus dem ArbeitsalltagBei der anschließenden Diskussion wurde es auch für die Zuschauer sehr spannend. Denn die Beteiligten sprachen von ihrem Arbeitsalltag und zeigten sich sehr kritisch gegenüber den geplanten Maßnahmen zur Umsetzung der Inklusion. „Mich erstaunt, dass immer wieder behauptet wird, an einer Regelschule würden alle besser lernen können, als an einer Förderschule“, warf Wolfgang Schmitz von der Astrid-Lindgren-Schule in Schleiden ein. „Wir besitzen eine spezielle, fachlich umfassende Ausbildung mit hohem Standard und können unsere Schüler viel gezielter fördern als die Regelschule.“ Dem stellte Hendricks das Modell der 18-monatigen, berufsbegleitenden Zusatzqualifikation der Regelschullehrer gegenüber. Schmitz bezweifelte, dass dies dem mehrjährigen Studium zum Sonderpädagogen gleich komme. „Sie diskreditieren damit Ihre Kollegen“, zeigte sich Hendricks verärgert. „Das sind ausgebildete Lehrer, die fangen nicht bei Null an.“Andrea Luxenburger-Schlösser von der St-Nikolaus-Schule in Kall kritisierte das hohe Tempo, mit dem die Inklusion durchgedrückt würde. „Das muss alles im Schweinsgalopp passieren.“ Viele der von ihr betreuten Kinder seien jetzt noch nicht bereit, um auf eine Regelschule zu wechseln. Schmitz und Luxenburger-Schlösser betonten beide, dass die Förderschulen auch mit der Inklusion nicht überflüssig werden. Zum einen gebe es viele unbeschulbare Kinder. Zum anderen müsse es eine Alternative geben, wenn die Kinder mit Behinderung auf einer Regelschule nicht zurecht kämen.Fehlende Unterstützung bemängeltHeinrich Latz, Leiter des Hermann-Josef-Kolleg in Steinfeld, bemängelte die fehlende Unterstützung seitens der Regierung. „Seit zwei Jahren gibt es nur Hinweise, es wird nur geredet und nichts Konkretes umgesetzt“, sagte Latz. Dieses Aufschieben sei nach Angaben von Hendricks der vorherigen Minderheitsregierung im Landtag geschuldet. „So hatten wir aber auch mehr Zeit, uns in anderen Bundesländern umzuschauen.“ Latz war das jedoch nicht genug. „Wir wären bereit, den Weg der Inklusion zu gehen, doch wir brauchen Hilfe, wir sind dafür nicht ausgebildet.“ Für seine offenen Worte erhielt Latz vom Publikum anerkennenden Applaus.Wilhelm Stein, Leiter der Nordeifelwerkstätten, hat sehr gute Erfahrungen mit integrativen Betrieben gemacht, wie sie auch in der Inklusion vorgesehen sind. „Wir von den Werkstätten müssen umdenken und den Fokus in Zukunft auf die Menschen richten, die keine Alternative zur Werkstatt haben“, sagte er. Denn der reguläre Arbeitsmarkt eigne sich nicht für jeden Menschen mit Behinderung.Rolf Emmerich von der Lebenshilfe HPZ in Zülpich betonte noch einmal, worin sich die Diskussionsteilnehmer einig sind: Wenn die Inklusion zu einer Sparmaßnahme verkomme, gehe das zu Lasten der Menschlichkeit, der Würde der Betroffenen und deren Ausbildung. Hendricks bedauerte, dass die Diskussionsteilnehmer fast ausschließlich mit negativen Beispielen argumentierten. „Dabei gibt es so viele positive Beispiele, die belegen, dass Inklusion funktioniert.“