Im Unterricht der Erstklässler. Edeltraud Lorenzen (l.) führte Renate Hendriks durch die Stephanusschule und stellte ihr einige der Förderprojekte vor. (Foto: Roberz) "Wir leben schon seit Jahren Inklusion" SPD-Landtagsabgeordnete Renate Hendriks informierte zum 9. SchuländerungsgesetzVon CLAUDIA ROBERZ aus der Kölnischen Rundschau vom 19.01.2013BÜRVENICH. "Dass Kinder miteinander leben und lernen werden, wird ein Prozess sein, der sich 10 bis 15 Jahre hinziehen wird", sagte die Landtagsabgeordnete Renate Hendriks gestern in der Stephanus-Förderschule in Bürvenich. Die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion war gekommen, um über den aktuellen Stand zum geplanten 9. Schuländerungsgesetz zu berichten – auf Einladung der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Zülpich und im Beisein von Rektorin Edeltraud Lorenzen und ihrem Stellvertreter Alexander Breuer sowie Bürgermeister Albert Bergmann und Beigeordnetem Ulf Hürtgen."Vor fünf Jahren wurde die Stephanusschule für 1,9 Millionen Euro zum Kompetenzzentrum ausgebaut. 1,4 Millionen erhielten wir hierfür vom Land. Soll das Geld wirklich rausgeschmissen sein? Vielleicht findet man für Kompetenzzentren andere Richtwerte als eine Mindestschülerzahl", sagte Bergmann.Edeltraud Lorenzen berichtete sehr engagiert, was die Stephanusschule in der Zülpicher Schullandschaft leistet, und gab zu bedenken: "Wir leben schon seit Jahren Inklusion. Denn von uns werden 125 Schüler an den Regelschulen – Grund-, Haupt-, Realschulen und am Gymnasium – betreut, worauf wir sehr stolz sind. Trotz aller logistischen Probleme. 115 Schüler gehen hier in unsere Förderschule." Dass die Stephanusschule vor fünf Jahren Kompetenzzentrum wurde, war nicht nur ein Segen. "Denn als solches sind wir gedeckelt. Wir dürften nur Schüler aus dem Stadtgebiet Zülpich aufnehmen", berichtete Lorenzen. Anfragen aus anderen Gemeinden habe es durchaus gegeben.Aber das Lehrerkollegium der Stephanusschule setzt schon weit früher an. "In den Kindertagesstätten (Kitas) sind wir ausschließlich diagnostisch und beratend tätig. Fördern dürfen wir hier nicht", ergänzte Alexander Breuer. Dass ein Kompetenzzentrum schon in Kindergärten tätig wird, war für Renate Hendriks ganz neu. "Ich muss nachhören, ob das in NRW bisher vielleicht nicht ausreichend berücksichtigt wird", so Hendriks.Sie konnte Edeltraud Lorenzen und ihre Teamkollegen insoweit beruhigen, als dass nicht vorgesehen sei, Förderschulen mit unter 144 Kindern ad hoc zum Schuljahr 2014/15 zu schließen. "Wir sind mit diesem Referentenentwurf noch in einem Beratungsprozess. Wir haben rund 1000 Seiten Anregungen von Verbänden und Institutionen vorliegen, die mit in die Gesetzesänderung eingearbeitet werden sollen. "Auf Ausnahmen für die sogenannten Kompetenzzentren werde sie häufig angesprochen. "Diese sind aber nur Schulversuche, die irgendwann auslaufen", erklärte Hendriks. Im 9. Schuländerungsgesetz seien dafür Unterstützungszentren vorgesehen. "Das ist keine eigene Schule. Diese Zentren sind an den Regelschulen und unterstützen dort die Förderschüler. Aber auch deren Arbeit ist noch lange nicht zu Ende gedacht."Überzeugen konnte sie Lorenzen mit dem Gedanken der Unterstützungszentren nicht wirklich. "Kann man denn keine anderen Kriterien finden, als den Erhalt von Förderschulen von Mindestschülerzahlen abhängig zu machen? Damit würde man doch ein System von Inklusion, das hier funktioniert, einfach wegwerfen."Ihr Schlussstatement trug sie mit wahrer Inbrunst, fast schon trotzig, vor: "Ohne uns geht es eben nicht. Aber wenn Sie meinen, Sie brauchen uns nicht, dann machen Sie uns nur zu."Hendriks versprach, die Frage mit in die Beratung zu nehmen, ob die in den Regelschulen geförderten Schüler zu den einzelnen Förderschulen mitgezählt werden können. Aber auch eine Öffnung der Schule nach außen – also das Aufnehmen von Schülern, die keiner Förderung bedürfen – sei eine denkbare Alternative.————————————————-Es gibt noch Hoffnung für die StephanusschuleLANDESPOLITIK Förderschulen mit weniger als 144 Schülern sollen geschlossen werdenVON JOACHIM SPROTHEN aus dem Kölner Stadtanzeiger vom 19.01.2013Kreis Euskirchen/Bürvenich. Wenn der Referentenentwurf zum 9. Schulrechtsänderungsgesetz eins zu eins umgesetzt wird, werden sämtliche Förderschulen im Kreis Euskirchen dichtgemacht und durch ein einziges so genanntes Unterstützungszentrum ersetzt. Das sagte am Freitag jedenfalls Edeltraud Lorenzen, die Leiterin der Stephanusschule in Bürvenich: "Der Elternwille wird dann ad absurdum geführt. Wo es keine Wahlmöglichkeit gibt, kann auch nix gewählt werden."Unter Sonderschulpädagogen sei man sich absolut einig, dass "verhaltenskreative" Kinder, wie Lorenzen sich ausdrückte, nicht mit dem Bus durch den halben Kreis kutschiert werden könnten. Das sei aber die Folge, wenn es bei der nunmehr in Rede stehenden Mindestschülerzahl von Förderschulen wie der Stephanusschule bleibe. 144 Schüler sollen künftig das Limit sein. Die Lehranstalt in Bürvenich hat derzeit 115 Schützlinge und stünde somit vor dem Aus. In Großstädten könnten mehrere Förderschulen zusammengelegt werden, um weiterhin ein Angebot aufrechtzuerhalten. In einem Flächenkreis wie dem in Euskirchen ist das allenfalls in der Kreisstadt selbst möglich, wo es zwei Förderschulen gibt.Das ist auch Renate Hendricks nicht entgangen. Sie ist schließlich schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion. Hendricks war am Freitag auf Einladung des römerstädtischen SPD-Urgesteins André Heinrichs in der Stephanusschule zu Gast. Auch die SPD-Lokalpolitiker Christine Bär-Nagelschmidt, Dieter Pritzsche, Peter Lubberich sowie Heinz und Helga Hettmer waren bei der Diskussion mit von der Partie.Aber laut Heinrichs sollte das "keine parteipolitische Veranstaltung" werden. Er hatte deshalb auch den CDU-Fraktionschef Ralf Engels, dessen Stellvertreter Leo Wolter sowie Bürgermeister Albert Bergmann und den Beigeordneten Ulf Hürtgen eingeladen, die ebenfalls CDU-Mitglieder sind. Bergmann machte dann auch in seiner Begrüßung der Landtagsabgeordneten klar, dass "uns gemeinsam die Zukunft des Schulstandorts Bürvenich große Sorgen macht".EU-RichtlinienDer Hintergrund ist klar. Die rot-grüne Landesregierung setzt derzeit eine UN-Konvention und Richtlinien der EU um, nach denen Kinder mit besonderem Förderbedarf künftig möglichst in Regelschulen unterrichtet werden sollen. Folglich seien in Zukunft weniger Förderschulen notwendig. Lehranstalten wie die in Bürvenich, die mehrere Förderschwerpunkte haben, dürfen nach dem Text des Referentenentwurfs aufgrund zu geringer Schülerzahlen bereits 2014 keine Eingangsklassen mehr bilden und würden somit ausbluten."Dieser Prozess ist nicht aufzuhalten", resümierte Engels nach der zweistündigen Diskussionsrunde. Eine Bestandsgarantie für die Ewigkeit werde es für die Stephanusschule nicht geben. Darin war er sich selbst mit Edeltraud Lorenzen einig. Dennoch waren alle Teilnehmer mit dem Verlauf der Debatte zufrieden. Der für 2014 drohende Anfang vom Ende dürfte für die Stephanusschule vom Tisch sein. "Das wird nicht kommen", so Hendricks: "Wir befinden uns derzeit noch in einem Meinungsbildungsprozess und werden sicherlich auch Überbrückungsmöglichkeiten finden."Hendricks wird auch Eindrücke mit nach Düsseldorf nehmen, "die sich mir so noch nicht als Frage stellten". Schulleiterin Lorenzen hatte zuvor allerdings auch mit überzeugenden Argumenten aufgewartet. Die meisten Schüler der Stephanusschule würden für Regelschulen fit gemacht. Andere Schulen, die diesen Weg nicht gingen, hätten keine Probleme mit der Mindestschülerzahl. Überdies sei die Stephanusschule als Kompetenzzentrum bereits ein Vorläufer der künftigen Unterstützungszentren. Ihre Lehrer seien an allen Regelschulen Zülpichs und in Kindergärten präsent. Mit Erfolg: "Nur bei vier Prozent der Kindergartenkinder Zülpichs, die kurz vor der Einschulung stehen, wird ein besonderer Förderbedarf festgestellt. Im ganzen Kreis Euskirchen sind es zehn Prozent."Überprüfung in DüsseldorfLorenzen wies darauf hin, dass ihre Lehrer nicht nur die 115 Kindern in Bürvenich betreuen, sondern 125 weitere an den Regelschulen. Hendricks versprach, in Düsseldorf die Frage aufs Tapet zu bringen, ob diese Jugendlichen bei der Ermittlung der Schülerzahlen zusammengezählt werden können. Bergmann: "Damit wäre uns geholfen."Und da war noch Dominik, der die Gäste gemeinsam mit einer Klassenkameradin formvollendet bewirtet hatte. Der 16-Jährige würde vom Parkhotel in Euskirchen nach einem Praktikum sofort als Service-Kraft übernommen, "wenn wir ihn fit für die Berufsschule bekommen", so Lorenzen. Bei dieser Gelegenheit prangerte sie an: "Warum müssen angehende Friseurinnen chemische Formeln auswendig lernen, wenn sie in der Praxis zum Fertigprodukt greifen?" Dies sei ein Hemmschuh für die ansonsten äußerst erfolgreiche Integration ihrer Schüler ins Berufsleben.